MITWIRKENDE
FACHKONGRESS Kinder- und Jugendarmut des Landes Nordrhein-Westfalen
Pakt gegen Kinderarmut
Montag, 22. Mai 2023
Josefine Paul
Ministerin für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen
„Die vererbte Armut ist für mich eine der schreiendsten Ungerechtigkeiten unserer Zeit. Es darf nicht dabei bleiben, dass ein gutes Aufwachsen und ein Leben in Wohlergehen hauptsächlich davon abhängen, in welches Umfeld man hineingeboren wird. Als Land wollen wir deshalb mit denjenigen, die die Lebenswelten von Kindern gestalten – beginnend heute – und später auch unter Einbeziehung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen als Fachleute in eigener Sache einen ‘Pakt gegen Kinderarmut‘ entwickeln.“
Karl-Josef Laumann
Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
„Arme Kinder in einem reichen Land sind eine bedrückende Vorstellung. Noch bedrückender ist aber, wenn ein Sozialstaat ein recht gut ausgebautes Netz zur Abfederung der materiellen Folgen von Kinderarmut hat und diese Leistungen nicht bei den betroffenen Ankommen: weil die Beantragung zu kompliziert ist oder die Betroffenen keinen Überblick über ihre Ansprüche haben. Daher ist der Kongress gegen Kinderarmut so wichtig: Damit wir darüber sprechen, wie unsere Hilfen, diejenigen erreichen, die dringend Hilfe brauchen.“
Prof. Dr. Michael Steinbrecher
Professor für Fernseh- und Crossmedialen Journalismus an der TU Dortmund (mit Schwerpunkt Journalismus, Digitalisierung und Gesellschaft), Nachtcafé-Moderator, Journalist, Autor, Filmemacher
„Wir sollten als Gesellschaft vor allem auch denen eine Stimme geben, die
keine Lobby haben und oft nicht gehört werden. Dieser Grundüberzeugung
entsprechen auch meine Schwerpunkte als Wissenschaftler und Journalist.
Mit gesellschaftspolitischen Themen habe ich mich journalistisch z.B. im ZDF als
Moderator von Doppelpunkt und 37 Grad plus beschäftigt. Und auch heute
spreche ich wöchentlich im Nachtcafé des SWR mit „normalen“ Menschen über
ihre Erfahrungen, von der Geburt bis zum Tod, vom Politischen bis zum Privaten.
Zur Würde des Menschen gehört auch die Möglichkeit der Teilhabe. Auch
deshalb sollten wir in Talkshows nicht ausschließlich Politik und Prominenz
zu Wort kommen lassen.
Als Journalistik-Professor an der TU Dortmund verantworte ich das landesweite
Multimedia-Projekt NRWision. Es ermöglicht seit über 10 Jahren allen Menschen
in Nordrhein-Westfalen, selbst über das zu berichten, was sie bewegt. Ein Beispiel
für gelebte Vielfalt, gelebte Partizipation, gelebte kommunale Demokratie.
Zu den Zielen der Langzeit-Studie „Journalismus und Demokratie“ gehört u.a., mehr über
die Erwartungen des Publikums an den Journalismus, über Kritikpunkte und die
Glaubwürdigkeit des Journalismus zu erfahren. Und schließlich möchten wir mit der
Forschungsgruppe PoJoMeC (Politics-Journalism-Media-Competence) Kindern zuhören
und erfahren, welche Vorstellungen sie von Politik, Journalismus und Medien haben.
Auch deshalb bin ich gerne an einem Kongress beteiligt, der Kindern und
Jugendlichen, die in schwierigen Lebenssituationen aufwachsen, Gehör verschaffen
möchte. Das ist ein wertvolles Anliegen. Sogar mehr als das: Eine Verpflichtung.“
Wolfgang Spelthahn
Landrat Kreis Düren
„Der Kreis Düren ist ein stetig wachsender Kreis, dem die Zukunft seiner Kinder und der dazugehörigen Familien sehr am Herzen liegt. Denn nur Kinder können die Zukunft des Kreises Düren sichern. Daher ist es unser Ziel, allen Kindern – unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft – die bestmöglichen Chancen für ein gutes Aufwachsen zu bieten. Daran arbeiten wir seit vielen Jahren Hand in Hand mit unseren Partnerinnen und Partnern vor Ort. Mit dem Projekt ,kinderstark – NRW schafft Chancen' soll dieser Prozess weiter ausgebaut werden, denn gezielt in Vorbeugung zu investieren, ist ein kontinuierlicher und lohnenswerter Prozess.“
Nico Schuwald
Stipendiat RuhrTalente-Programm
„Mit zwölf Jahren durch einen familiären Schicksalsschlag in die Armut hinein. Viele Jahre lang von Sozialleistungen gelebt und soziale wie bürokratische Schwierigkeiten durchlebt. – Meine vergangene Lebenslage in zwei Sätzen.
Aufgewachsen im Ruhrgebiet hatte ich eine schöne Kindheit. Ich habe nicht nur negative Erinnerungen. So hatte ich stets empathische Freunde, einige aufmerksame Lehrer und genug Kraft, mich selbst nicht aufzugeben. Diese Dinge haben mir grundlegende Chancen wie mein Schülerstipendium RuhrTalente ermöglicht, für das ich mich vor fünf Jahren erfolgreich beworben habe.
Doch ich musste auf vieles verzichten. Arbeiten gehen als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft? Lohnt nicht – nach Abzügen effektiver Mindestlohn von nicht mal vier Euro. Politik? Kinder und Jugendliche haben keine Lobby. Hilfsangebote von Seiten der Regierung? Fehlanzeige.
Ich freue mich, meine Erfahrungen einem großen Publikum von Menschen zu schildern, die im sozialen Sektor arbeiten. Vielleicht öffne ich einigen die Augen oder bringe jemanden dazu, sich noch aktiver für Kinder und Jugendliche, die in Armut aufwachsen, einzusetzen.“
Prof. Dr. Klaus Peter Strohmeier
Ruhr Universität Bochum, Lehrstuhl Soziologie / Stadt und Region, Familie
Professor im Ruhestand
„Die letzten vier Jahrzehnte habe ich viel über Kinder- und Familienarmut geforscht. Die veröffentlichten Zahlen haben immer viel Resonanz in den Medien gehabt, sonst ist nicht viel passiert. Ich habe als Sachverständiger in der Enquetekommission "Zukunft der Familienpolitik" mitgearbeitet, habe die Begleitforschung zum Programm "Kein Kind zurücklassen" geleitet und bin/war im Vorstand verschiedener Vereine und Stiftungen, die sich des Themas annehmen. Heute kann ich sagen: Wir wissen genug über die Bedingungen, die Formen, die Verbreitung, die Entwicklung und die Folgen von Kinderarmut, um (im Land und in den Kommunen) das Richtige zu tun. Welche "Baustellen" die wichtigsten sind, haben uns die Kinder in meinem letzten (vielleicht wichtigsten) Projekt "UWE" gesagt. (Vielleicht hätte man sie früher und öfter fragen sollen!) Alle Kinder (arme Kinder besonders) brauchen Anerkennung, Respekt und Unterstützung durch Erwachsene, von denen sie wissen, dass sie hinter ihnen stehen, und sie brauchen die Zugehörigkeit zu Gruppen Gleichaltriger. Die Handlungsfelder, in denen Kinder außerhalb der Familie solche Erfahrungen machen, sind vor allem Schule und Gemeinde/ Quartier. Prävention, das ist die Lehre aus KEKIZ und "kinderstark", braucht Kooperation und Perspektive. Beim Land und in den Kommunen sehe ich hier immer noch viel Luft nach oben.“